NS-Raubgut

Die Preußische Staatsbibliothek hat in der Zeit des Nationalsozialismus als größte wissenschaftliche Bibliothek Deutschlands zahlreiche Zuweisungen geraubter Bücher erhalten. Als Rechtsnachfolger der Preußischen Staatsbibliothek (PSB) ist sich die Staatsbibliothek zu Berlin ihrer Verantwortung bewusst und arbeitet intensiv an der Aufarbeitung der Problematik von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in ihren Sammlungen. Bei eindeutiger Rechtslage werden die sich noch im Bestand befindlichen Drucke schnellstmöglich an die Berechtigten restituiert.

Seit der Veröffentlichung der Washingtoner Erklärung (1998) beschäftigt sich die Bibliothek in verschiedenen Projektzusammenhängen mit der Problematik von NS-Raubgut in ihren Sammlungen. Bereits im Jahre 1999 wurden die Erwerbungen der Preußischen Staatsbibliothek aus dem Zeitraum 1933 bis 1945 auf ehemals jüdischen Besitz stichprobenartig untersucht. Im Rahmen einer Magisterarbeit wurden im Jahr 2006 relevante Erwerbungsakten und Akzessionsjournale hinsichtlich „zweifelhafter Erwerbungen“ ausgewertet. Durch die Sichtung von rund 375.000 Einzeleinträgen ist eine interne Index-Datenbank entstanden, die insgesamt rund 20.000 relativ eindeutig inkriminierte Zugänge bzw. Zugänge mit einem Anfangsverdacht auf NS-Raubgut auflistet. Weitere Untersuchungen ergaben, dass auch bislang unbeachtet gebliebene Akzessionsjournale in die Auswertung einzubeziehen sind wie z.B. Zugangsbücher über Pflichtexemplare. Rund 11.000 besonders verdächtige Zugänge konnten in einem langfristigen Forschungsprojekt inzwischen geprüft werden. Zugleich wurde in einem Kooperationsprojekt der Staatsbibliothek mit dem ehemaligen Max-Planck-Institut für Geschichte von der Provenienzforscherin Cornelia Briel die Rolle von Reichstauschstelle und Preußischer Staatsbibliothek bei der Verteilung von NS-Raubgut in den Jahren 1933 bis 1945 untersucht.

Ein 2014 gestartetes, vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördertes Forschungsprojekt baut inhaltlich auf dem Projekt zur Bestandsprüfung der Erwerbungsjahre 1933 bis 1945 auf und soll gleichzeitig eine der Projektstudie zu Reichstauschstelle und Preußischer Staatsbibliothek vergleichbare Grundlagenforschung leisten: Hier geht es um die Rolle der seit 1959 an der Deutschen Staatsbibliothek angesiedelten Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände bei der Weiterverteilung von NS-Raubgut nach 1945.

Seit 2007 beschäftigt sich ein speziell eingerichteter Aufgabenbereich in der Abteilung Historische Drucke mit der systematischen Prüfung des rund drei Millionen Bände umfassenden historischen Druckschriftenbestandes hinsichtlich weiterer Verdachtsfälle. Die bisherigen Ergebnisse der NS-Raubgutforschung lassen auch dabei die Zugänge nach 1945 und die Frage des „sekundären Raubgutes“ immer mehr in den Fokus rücken.

Räume der Reichstauschstelle im Marstallgebäude, 16. April 1941 (Foto: Bundesarchiv R 4901/15094)

Recherchestationen

Am Beispiel geraubter Bücher aus einer Logenbibliothek

Wilhelm Fluhrer, Die Freimaurerei wie sie ist und wie sie nicht ist, Frankfurt a.M. 1926.

Im Bestand der Staatsbibliothek gefundenes Exemplar aus der Bibliothek der Großloge von Wien (am 31. Januar 2019 restituiert an die Großloge von Österreich der Alten, Freien und Angenommenen Maurer)

  • Zugangsbücher

    Ausgangspunkt der Recherche sind meist die Zugangsbücher. Zum Beispiel stammen alle im Sonderjournal für Freimaurer (Frm) eingetragenen Titel aus dem Sicherheitshauptamt.

  • Exemplar

    Im Online-Katalog wird nach vorhandenen Exemplaren mit dem gefundenen Titel gesucht. In unserem Fall kann das gesuchte Exemplar über die Zugangsnummer „Frm 10“ bestimmt werden.

  • Provenienz

    Der Stempel der Großloge von Wien verrät sofort, wo unser Buch geraubt wurde. Oft sind aber keine oder nur schwer zu deutende Spuren sichtbar. Im Online-Katalog werden alle ermittelten Provenienzinformationen erfasst.

  • Restitution

    Bei den Recherchen und der Erbensuche hilft oft die Zusammenarbeit mit anderen Forscher:innen. Schließlich wird eine Vereinbarung mit den Berechtigten vom Justiziariat der Stiftung vorbereitet.