#spurensuche

Ein Provenienzspaziergang durch Berlin

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Staatsbibliothek

Unter den Linden 8

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Akademie der Künste, Berlin

Pariser Platz 4

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Bücherverbrennung am 10. Mai 1933

Opernplatz (Bebelplatz)

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Zeughaus

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Deutsches Auslands-wissenschaftliches Institut

Bauakademie, Schinkelplatz 6

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Berliner Schloss

Schlossplatz

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Ratsbibliothek / Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken

Ermelerhaus, Breite Straße 11

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Berliner Stadtbibliothek / Marstallgebäude

Breite Straße 36

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Institut für Sexualwissenschaft

Villa Joachim, In den Zelten 10

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Städtische Pfandleihanstalt

Lagerhaus

Elsässer Straße 74 (Torstraße 164)

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Städtische Pfandleihanstalt

Jägerstraße 64

Stadtplan 1936: „Bummel durch Berlin und ringsherum. Vogelschauplan der BZ am Mittag“, Zeichnung: Rudolf Seeland, Foto: Staatsbibliothek zu Berlin – PK (mit freundlicher Genehmigung der Ullstein GmbH / Axel Springer Syndication)

Stationen des Provenienzspaziergangs

  • Berlin Mitte

  • Unter den Linden 8

    Staatsbibliothek

    Die Staatsbibliothek als führende deutsche Bibliothek war in der NS-Zeit eine zentrale Verteilerinstitution für geraubte Bücher. Ihrem Generaldirektor unterstand seit 1933 auch die Reichstauschstelle. Nach 1945 wurden im Gebäude Unter den Linden wegen der eigenen Verluste vermehrt geraubte Bücher aus „herrenlosen“ und unbearbeiteten Buchbeständen eingearbeitet. Die Reichstauschstelle, seit 1941 mit dem Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken zu einer Reichsbehörde vereinigt, war mit ihren bis zu 50 Beschäftigten teilweise im Marstallgebäude beim Schloss untergebracht. Mit der Aufgabe betraut, die durch Kriegseinwirkung zerstörten Bestände der deutschen Bibliotheken zu ersetzen, kaufte die Reichstauschstelle Privatbibliotheken, antiquarische und verlagsneue Literatur im Deutschen Reich und in den von Deutschland besetzten Gebieten. Allerdings bemühte sie sich auch um beschlagnahmte Buchbestände von Verfolgten des Nationalsozialismus.

  • Pariser Platz 4

    Akademie der Künste, Berlin

    Im Jahr 1907 erhielt die Königliche Akademie der Künste zu Berlin im umgebauten Palais Arnim am Pariser Platz ihren neuen Sitz. An diesem Standort wurden Gemälde, Skulpturen sowie ausgewählte Zeichnungen der Kunstsammlung, das Archiv und die sogenannte Präsidialbibliothek aufbewahrt. Unter der Präsidentschaft Max Liebermanns in der Weimarer Republik entwickelte sich die nunmehr Preußische Akademie der Künste zu Berlin zu einem Ort der Auseinandersetzung um die Moderne. Den Nationalsozialisten passte sich die Akademie ab 1933 jedoch ohne nennenswerten Widerstand an. Bis 1938 wurden 41 Mitglieder aus politischen oder antisemitischen Gründen ausgeschlossen oder verließen die Akademie. Diese musste das Haus 1937 auf Anordnung Adolf Hitlers für die Generalbauinspektion Albert Speers räumen. Speer projektierte unweit der Reichskanzlei den Umbau Berlins zur Welthauptstadt „Germania“. Die Akademie zog im März 1938 in das Kronprinzenpalais. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude am Pariser Platz weitgehend zerstört. Lediglich ein Seitenflügel konnte ab 1950 von der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin genutzt werden, in den historischen Sälen gab es Meisterschülerwerkstätten und ein Atelier für den Bildhauer Fritz Cremer. Im Jahr 1993 wurden die bis dahin parallel in beiden Teilen Berlins existierenden Künstlersozietäten zusammengeführt. Als 2005 der Bund die Trägerschaft über die Akademie der Künste, Berlin, übernahm, konnte diese in den von Günter Behnisch konzipierten Neubau am historischen Ort zurückkehren. Dort befindet sich – neben dem Präsidialbereich, den Programmbüros, den Sektionen, der Kommunikationsabteilung, dem Baukunstarchiv sowie Veranstaltungs- und Ausstellungsälen – auch der Hauptstandort der Bibliothek.

  • Opernplatz (Bebelplatz)

    Bücherverbrennung am 10. Mai 1933

    Am 10. Mai 1933 und damit etwa drei Monate nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden auf dem Opernplatz – zunächst als studentische Aktion – Bücher ideologisch unerwünschter Autorinnen und Autoren zusammengetragen und vor großem Publikum verbrannt. Darunter befand sich ein Großteil der zuvor geplünderten Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft. Viele weitere Bücherverbrennungen fanden anschließend in anderen deutschen Städten statt. Die Bücherverbrennungen waren der Beginn weiterer repressiver Maßnahmen für Autorinnen und Autoren und das literarische Leben in der NS-Zeit. Schwarze Listen mit Werken marxistischer, jüdischer und liberaler Schriftstellerinnen und Schriftsteller dienten als Grundlage für die „Säuberung“ von Bibliotheken und Buchhandlungen, Schriftstellerorganisationen wurden verboten oder gleichgeschaltet. Es folgten Berufsverbote, Flucht und Exil oder Verfolgung, Haft, Folter, Deportation und Ermordung.

  • Zeughaus

    Zeughaus

    Das Zeughaus wurde unter Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg ab 1695 als Waffenarsenal erbaut. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde das Haus zur Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee umgebaut und im Zeughaus ein Artilleriemuseum eingerichtet. Von den Nationalsozialisten als Heeresmuseum genutzt, wurde der Bau in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt. Die Sammlungen, die auch eine Bibliothek umfassten, wurden zu großen Teilen zerstreut. Nach 1945 waren ca. 6.800 Bände der Bibliothek im Zeughaus verblieben. Zunächst wurde die nationalsozialistische Literatur ausgesondert und an die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek, eine Vorgängerinstitution der Staatsbibliothek abgegeben. Die Restbestände wurden 1948 mit der Auflösung des Zeughauses aufgeteilt und abgegeben. Als 1952 das Museum für Deutsche Geschichte gegründet wurde, erließ das Staatssekretariat für Hochschulwesen am 24. Juni 1953 eine „Anordnung über die Erfassung der Bestände des ehemaligen Zeughauses zu Berlin“, die alle Gegenstände des ehemaligen Zeughauses dem neugegründeten Museum überwies. Heute ist das Zeughaus das älteste Gebäude Unter den Linden und Sitz der Stiftung Deutsches Historisches Museum. Die öffentlich zugängliche Bibliothek befindet sich (nun) im benachbarten Verwaltungsgebäude mit dem Zugang über die Straße Hinter dem Gießhaus. Ihr historischer Lesesaal, eine ehemalige Bankschalterhalle, zeigt sich noch im originalen Zustand des beginnenden 20. Jahrhunderts.

  • Bauakademie, Schinkelplatz 6

    Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut

    Das 1940 aus mehreren Institutionen zusammengeführte Deutsche Auslandswissenschaftliche Institut (DAWI) diente während der NS-Zeit als Forschungsinstitut und Dokumentationszentrum der eng verflochtenen und personell nahezu identischen Auslandswissenschaftlichen Fakultät. Institut und Fakultät erfüllten explizit politische Aufgaben. Leiter bzw. Präsident des DAWI und gleichzeitig Dekan der Fakultät war der Organisator der „weltanschaulichen Gegnerforschung“ des SD Franz Alfred Six. Die Ergebnisse der Provenienzforschung belegen, dass in größerem Umfang geraubte und beschlagnahmte Buchbestände an das DAWI und seine Untergliederungen gelangten. Die bearbeiteten Bestände weisen fast durchgehend sorgfältig getilgte Provenienzmerkmale auf, d.h. Stempel wurden getilgt, meist geschwärzt. Die Akten belegen – offenbar umfangreiche – Buchgeschenke der Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamtes sowie Akquisitionsreisen der Abteilungs-/Institutsleiter in besetzte Gebiete. In den Akten der Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken findet sich unter der Auftrags-Nr. 153 der Bericht zur Bergungsaktion in den Kellerräumen des Hauses Schinkelplatz 6 (Oktober 1945 bis Februar 1946). In diesem Gebäude, der ehemaligen Schinkel’schen Bauakademie, befand sich die Zentralbibliothek des DAWI. Die in den Kellerräumen teilweise unter Schutt aufgefundenen und dann in zwei Etappen geborgenen Bestände von ca. 15.000 Bänden werden als „Teilbibliothek des Seminars für Orientalische Sprachen“ bezeichnet, vermutlich unbearbeitete Bestände der Zentralbibliothek.

  • Schlossplatz

    Berliner Schloss

    1443 legte Kurfürst Friedrich II. hier den Grundstein für das Berliner Schloss – ein Ort, der über die Jahrhunderte zum Zentrum von Herrschaft und Macht der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen und des Deutschen Kaiserreiches wurde. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert beherbergte das Berliner Schloss auch die Kunstkammer der brandenburgisch-preußischen Herrscher. Schon damals wurden globale Kunst- und Kulturgüter ‚gesammelt‘. Vor dem Hintergrund des europäischen Imperialismus erreichte die Aneignung außereuropäischer Sammlungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts gigantische Ausmaße. Dies führte 1873 zum Beschluss der Gründung eines eigenständigen ethnologischen Museums, das 1886 unter dem Namen Königliches Museum für Völkerkunde in der Königgrätzerstraße (heute Stresemannstraße) eröffnete. Anstelle des Schlosses stand zwischen 1976 und 2006 der Palast der Republik der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Nach Beschluss im Deutschen Bundestag im Jahr 2002 begann die Teilkonstruktion des Berliner Schlosses als Humboldt Forum, das 2023 eröffnet wurde. Hier befinden sich heute die Ausstellungsflächen des Ethnologischen Museums, des Museums für Asiatische Kunst, des Stadtmuseums Berlin, der Humboldt-Universität und der Stiftung Humboldt Forum. Neben dem Umgang mit kolonialem Raubgut ist die christlich-monarchische Architektur Gegenstand kontroverser Diskussionen um die Rekonstruktion des Berliner Schlosses. In diesem Spannungsfeld bleibt das Humboldt Forum ein umstrittener Ort der Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und deren heutigen Vermächtnisse.

  • Ermelerhaus, Breite Straße 11

    Ratsbibliothek / Bergungsstelle

    Von Juli 1945 bis Februar 1946 übernahm die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken komplette Sammlungen sowie durch Auslagerung und Kriegseinwirkung verstreute Buchbestände, die oft keinerlei Bestandszusammenhänge mehr hatten. Auch vollständig geborgene Sammlungen wurden meist aufgeteilt und an unterschiedliche Institutionen abgegeben. Bücher einer Provenienz wurden so auch nach 1945 weiter verstreut, Sammlungen aufgelöst und neu zusammengestellt. Unter den verteilten Büchern befand sich NS-Raubgut und kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut aus den Beständen von NS-Organisationen oder mit diesen in Verbindung stehenden Einrichtungen. Geborgene Bestände wurden oft in Teilen der Ratsbibliothek zugewiesen und ins 1967/1968 abgerissene Ermelerhaus gegenüber vom Marstallgebäude gebracht. Auch die Bücher aus der Bergungsaktion 153 in den Kellerräumen des Hauses Schinkelplatz 6 wurden zunächst ins Ermelerhaus transportiert. Nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg war im Ermelerhaus, einem nach dem Tabakfabrikanten Wilhelm Ferdinand Ermeler benannten Patrizierhaus, die Magistrats- bzw. Ratsbibliothek untergebracht, dazwischen diente es als Ausstellungsgebäude des Märkischen Museums. Am Märkischen Ufer 10 steht das nach dem Abriss rekonstruierte, gewissermaßen „versetzte“ Ermelerhaus.

  • Breite Straße 30-36

    Berliner Stadtbibliothek / Marstallgebäude

    Die Berliner Stadtbibliothek, die heute zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin gehört, wurde 1901 gegründet. In der NS-Zeit gelangten ca. 40.000 Bücher von NS-Raubgut in ihren Bestand. Diese Bücher stammten aus den Wohnungen von deportierten Jüdinnen und Juden. Der Ankauf der Bestände fand 1943 über die städtische Pfandleihanstalt Berlin statt. In der Nachkriegszeit gelangten viele Objekte der Bergungsstelle in die Berliner Stadtbibliothek. Die im Krieg dezimierten Bestände sollten mit „herrenlosen“ Büchern aufgefüllt werden. Dadurch und durch die Übernahme weiterer Bibliotheksbestände, wie der Ratsbibliothek und der Altbestände der Volksbibliotheken, gelangte zahlreiches NS-Raubgut in den heutigen Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.

  • Wilhelmstraße / Prinz Albrecht Straße

    Reichssicherheitshauptamt / Gestapo-Zentrale

    Mit dem Gebäudekomplex Wilhelmstraße / Prinz-Albrecht-Straße (heute: Niederkirchnerstraße) entstand ab 1933 ein entscheidendes Machtzentrum des NS-Regimes. Auf dem „Prinz-Albrecht-Gelände“ befand sich das Geheime Staatspolizeiamt (ehem. Kunstgewerbeschule /Kunstbibliothek, heute: Topographie des Terrors). Der Führungsstab des Reichsführers SS Heinrich Himmler zog in das Gebäude des ehemaligen Hotels „Prinz Albrecht“ in der Prinz-Albrecht-Str. 9. Der SS-Sicherheitsdienst, der ab 1939 zusammen mit der Sicherheitspolizei das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) bildete, bezog das in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Prinz-Albrecht-Palais in der Wilhelmstraße 102. Für die sogenannten Gegnerbibliotheken (Judentum, Freimaurerei, Kommunismus etc.) haben diese NS-Organisationen Millionen von Büchern geraubt, gehortet, umsortiert, zu Bruchteilen erfasst und weiter verteilt – und dabei viele mühevoll zusammengetragene Bibliotheken und Sammlungen fragmentiert und zerstört. Die geraubten Bücher wurden in zahlreichen Depots und Sammelstellen gelagert, u.a. im beschlagnahmten Logengebäude in der Eisenacher Straße 11-13 in Schöneberg.

  • Lindenstraße 14

    Kollegienhaus

    Das ehemalige Kollegienhaus in der Lindenstraße 14 in Berlin-Kreuzberg ist das letzte erhaltene Barockpalais in der historischen Friedrichstadt. Es wurde 1735 erbaut und diente zuerst als Kollegienhaus der königlichen Justizverwaltung. Von 1879 bis 1913 war es Sitz des Kammergerichts. Im Zweiten Weltkrieg wurde es weitgehend zerstört und erst in den 1960er Jahren wiedererrichtet. Darin untergebracht war zunächst das stadtgeschichtliche Museum für West-Berlin, das Berlin Museum. Dreißig Jahre später wurde das Gebäude erneut umgebaut und erweitert, diesmal durch den Architekten Daniel Libeskind, und beherbergt seit 2001 das Jüdische Museum Berlin. Hervorgegangen ist das Museum aus der ehemaligen Jüdischen Abteilung des Berlin Museums, die in den 1970er Jahren auf Initiative der Gesellschaft für ein Jüdisches Museum in Berlin e.V. eingerichtet wurde. Der Verein sah sich in der Tradition des ersten in Berlin gegründeten Jüdischen Museums, das nur wenige Tage vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 24. Januar 1933 in der Oranienburger Straße eröffnet worden war. Nach dem Novemberpogrom wurde es geschlossen und seine Bestände im Jahr 1938 von der Gestapo beschlagnahmt. Seitdem gilt das meiste als verschollen. Die Objekte, die sich heute im Jüdischen Museum befinden, kamen seit den 1970er Jahren entweder über Schenkungen oder Ankäufe ins Haus.

  • Weitere Stationen

  • Leipziger Platz

    Palais Mosse

    Für die Nationalsozialisten war die Familie Mosse ein Symbol der verhassten „jüdischen Presse“. Sie wurde unmittelbar nach der Machtübernahme wegen ihres jüdischen Glaubens und auch wegen ihrer politischen Haltung verfolgt. Rudolf Mosses Adoptivtochter und Erbin Felicia und ihr Mann Hans Lachmann-Mosse emigrierten noch in der ersten Jahreshälfte 1933 über Frankreich in die Vereinigten Staaten. Nach der Einziehung des Privateigentums der Familie Mosse begann 1934 über mehrere Antiquariatsbuchhandlungen auch der Verkauf der Bibliothek aus dem Palais Mosse am Leipziger Platz 15. Diese Bibliothek bestand (soweit bisher bekannt) fast ausschließlich aus der 1913 von Rudolf Mosse angekauften Bibliothek des Goetheforschers Erich Schmidt, der seine Bücher mit einem markanten Exlibris versah – gleichzeitig fast die einzige Provenienzspur zum geraubten Buchbesitz der Familie. Mosse ließ die Bibliothek im Erdgeschoss seines Palais aufstellen, engagierte einen Bibliothekar und machte sie ab März 1914 an vier Tagen der Woche für jeweils zwei Stunden unter Auf­sicht öffentlich zugänglich. Heute steht an der Stelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Palais ein Neubau.

  • Villa Joachim (Palais Hatzfeldt), In den Zelten 10

    Institut für Sexualwissenschaft

    Das Institut für Sexualwissenschaft war ein privates Institut in Tiergarten, das 1919 von Magnus Hirschfeld gestiftet wurde, um wissenschaftliche Forschung zum Sexualleben zu fördern. Wegen der dort gesammelten sexualwissenschaftlichen Publikationen und Dokumente aller Art, aber auch der einschlägigen Vortrags- und Beratungsangebote war das Institut ein Anziehungspunkt im Berlin der „Goldenen Zwanziger“. Am 6. Mai 1933 plünderten ca. 100 Studenten das Institut. Gegen 3 Uhr nachmittags erschienen SA-Leute und setzten die Beschlagnahmung fort. Bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz wurde ein Großteil dieser Institutsbibliothek vernichtet. Der Rest der Bibliothek wurde im November 1933 über eine Zwangsversteigerung des Berliner Finanzamts zur Eintreibung nachberechneter Steuerschulden zerstreut. Die Zahl der aus der Bibliothek des Instituts vernichteten Bücher beträgt in etwa 10.000 Bände, nur vereinzelte Exemplare konnten bei Antiquariatsverkäufen oder in Bibliotheken identifiziert werden. Nicht einmal das von Hirschfeld erworbene und umgebaute Gebäude der ehemaligen Villa Joachim und zeitweiligen Palais des Fürsten von Hatzfeldt im Berliner Tiergarten an der Ecke Beethovenstraße 3 / In den Zelten 10 existiert heute noch. An das Institut erinnert nur noch eine Gedenktafel, die zum 75. Jahrestag der Institutsgründung 1994 in der Nähe des ehemaligen Standorts aufgestellt wurde.

  • Rütgershaus, Lützowstraße 33/36

    Antiquariat Agnes Straub

    Das Rütgershaus ist ein 1909 bis 1911 errichtetes Wohn- und Geschäftshaus an der Straßenkreuzung Lützowstraße / Genthiner Straße im Berliner Ortsteil Tiergarten. Am 1. April 1921 gründete Agnes Straub dort eine Buch- und Kunsthandlung. Ab 1925 führte sie ihr Unternehmen gemeinsam mit ihrem Ehemann Thomas, als verehelichte Agnes Graf. Als sie am 19. Februar 1937 starb, führte Thomas Graf das Antiquariat weiter, bis 1943 in Berlin, dann in Siebigerode (Harz). Restbestände des Antiquariats Straub wurden nach Grafs Tod 1951 an die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in Berlin verkauft und von dort weiterverteilt. Das Antiquariat Agnes Straub erwarb und verkaufte auch in der NS-Zeit geraubte Bücher. Über den Restbestand des Antiquariats gelangte so ein Album mit Glückwünschen von Politikern, Gelehrten, Künstlern und Literaten zum 70. Geburtstag des Berliner Zeitungsverlegers Rudolf Mosse in die Staatsbibliothek.

  • Elsässer Straße 74 (Torstraße 164)

    Städtische Pfandleihanstalt

    Das Königliche Leihamt III wurde 1847 erbaut und erstreckt sich um zwei Innenhöfe von der heutigen Torstraße 164 bis zur Linienstraße 98. Das imposante Lagerhaus entstand im Zuge der intensiven baulichen Tätigkeit zu Beginn der Regierung Friedrich Wilhelms IV. Es diente zur Lagerung der verpfändeten Güter der dort ansässigen „kleinen Leute“. Ab 1940 wurde die städtische Pfandleihanstalt in der Elsässer Straße 74 (heute: Torstraße 164) genutzt, um geraubte Gegenstände von deportierten Jüdinnen und Juden zu lagern und an Händler, Auktionshäuser, Privatpersonen etc. zu verkaufen. Bücher wurden dabei auch von Bibliotheken erworben, so ca. 40.000 Bücher von der Berliner Stadtbibliothek. Die Verwaltungsabteilung der städtischen Pfandleihanstalt hatte ihren Sitz in der Jägerstraße 64.